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Eine wichtige Frage: Was bist du mir Wert?

  • xaverlichtenberg
  • 19. Okt. 2023
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Apr.

Echt tierisch Christian Niederlein macht sich Gedanken zur tierischen „Wertschätzung“.


Foto: pexels-tima-miroshnichenko
Foto: pexels-tima-miroshnichenko

Wir haben Bereitschaftsdienst. Es ist Samstagnacht, als sich ein Mann meldet, dessen Frau sich große Sorgen um ihr Kaninchen macht. Es mag nicht mehr fressen und erscheint ihr im Verhalten deutlich verändert. Die besorgten Tierhalter machen sich auf den Weg zu uns. Während der Untersuchung erkennen wir in einem Zwischenraum der Backenzähne ein festsitzendes Stück eines Weidenballs und entfernen es. Rasch zeigt „Eisbär“ wieder sein normales Verhalten. Die Besitzer sind erleichtert und gerne bereit, die erhöhten Gebühren für die nächtliche Behandlung zu begleichen. Ebenso besorgt um ihre Tiere ist eine Abiturientin. Sie stellt an einem Sonntag eines ihrer beiden Kaninchen als Notfallpatienten vor.



Leider ist es uns nicht vergönnt, das Leben der kleinen „Anna“ zu erhalten. Als am Montag dann auch das zweite Kaninchen „Louis“ ähnliche Symptome zeigt, lässt die Schülerin alles stehen und liegen, um ihn sofort behandeln zu lassen. Ihm kann geholfen werden, er wird wieder gesund. Doch wegen des Tierarzttermins hat die Abiturientin eine Hausarbeit erst zwei Stunden nach Abgabetermin abgeben können. Der Kommentar des Lehrers, dass es sich bei dem Grund dafür doch „bloß um ein Kaninchen“ handele, gibt mir Anlass, über die Wertigkeit von Tieren zu sprechen.


Ich frage mich, wer oder was bestimmt eigentlich den Wert eines Tieres? Da gibt es zum einen den materiellen und manchmal auch den emotionalen Wert des Tieres für seinen Besitzer. Während sich landwirtschaftlich gehaltene Tiere häufig nur der ersteren Wertschätzung „erfreuen“ können, wiegt der immaterielle Wert von Haus- und Heimtieren oftmals deutlich höher. Das erklärt auch die Bereitschaft der Eigentümer, für die Haltung, Pflege und die tierärztliche Behandlung eines solchen Familienmitgliedes eine Summe an Geld zu investieren, die eben nicht unmittelbar im Verhältnis zum reinen Anschaffungspreis steht. Da gibt es den Wellensittich, den Hamster, das Meerschwein oder wie in unserem Fall das Kaninchen, dessen tierärztliche Behandlung mitunter ein Vielfaches dessen ausmacht.


Aber auch bei an sich schon „wertvollen“, das heißt hochpreisigen Rassehunden oder Reitpferden können diese Kosten den materiellen Ausgangswert schnell deutlich übersteigen. Ist es dann verwerflich, wenn verantwortungsbewusste Tierliebhaber zumindest alles Notwendige und oft auch alles Mögliche für deren Wohlergehen tun? Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, ein solches Verhalten abwertend zu betrachten. Sollen denn bei der Beurteilung der Wertigkeit von Lebewesen allein wirtschaftliche Kriterien eine Rolle spielen?


Ich selbst wünsche mir mehr Empathie für die Bedürfnisse von Wildtieren und sogenannten „Nutztieren“. Mehr Mitgefühl. Sonst heißt es weiter landläufig, das war doch bloß ein Fuchs, ein Schwein, ein Waschbär, ein Rindvieh. So betrachtet, finde ich das Verhalten der Abiturientin im Sinne ihres Kaninchens absolut vorbildlich! Die Meinung dieses einzelnen Lehrers sollte indes nicht unbedingt „Schule machen“... Ich bin aber sicher, dass es ganz viele Pädagogen gibt, die anders denken und handeln!

Christian Niederlein leitet seit 1996 seine Tierarztpraxis im nördlichen Saalekreis. Der 56-Jährige behandelt als praktischer Tierarzt, Tier-Chiro- und -Heilpraktiker gemeinsam mit seinem Team Pferde- und Kleintierpatienten. In dieser Kolumne schreibt er regelmäßig von seinen Tierabenteuern.

 
 
 

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